Trauma-Bewältigung am Klavier

William Wahl und Jens Heinrich Claassen zu Gast in der Wasserburger „Schranne“

„Männer am Klavier“ – das klingt im ersten Augenblick wenig spektakulär. Wer jedoch von dem einen oder anderen der beiden Künstler schon einmal etwas gehört hatte, konnte erahnen, dass es das Programm im ausverkauften Café „Die Schranne“ in den alten trutzigen Mauern unterhalb des Wasserburger Rathaussaals in sich haben würde.

William Wahl ist in Wasserburg wohl bekannt. Unvergessen sind seine zahlreichen Auftritte mit der A-cappella-Formation Basta in der Badriahalle zugunsten des Silberstreifen e. V., der auch an diesem Abend der Begünstigte dieses Benefiz-Konzerts war. Den zweiten Mann am Klavier, Jens Heinrich Claassen, kennt man vielleicht aus der spätabendlichen Fernsehsendung „Nightwash“, wo er als ewiger Nerd mit Brille, Schmärbauch und dem Postulat „Frauen an den Nerd“ auftritt.

Mit ihrem noch jungen und ersten gemeinsamen Programm ist den ein vielversprechender Wurf zu gelingen. Zu lachen gab es viel den ganzen Abend lang.
Wenn die beiden abwechselnd am Flügel Platz nehmen und über ihre erfolglosen Liebesbeziehungen singen und erzählen, ist das immer komisch. Das Klavier sehen die beiden aber eher als Nische für sexuell benachteiligte Männer. Und entgegen anderer Meinungen führt das Spielen darauf nie zum gewünschten Erfolg beim weiblichen Geschlecht. Dass das zu einer tiefgreifenden Frustration bei den beiden Männern am Klavier geführt haben muss, zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Abend.
Warum schreibt eigentlich nie jemand Liebeslieder für Männer? Dieser Frage widmet sich William Wahl in seinem Lied „Wo bleibt der Hit für Pit?“ Und Jens Heinrich beweist im Anschluss, dass man auch ein Lied über eine erfolglose Liebesbeziehung machen kann, welches in der Hauptsache aus 115 Stellen hinter dem Komma der Kreiszahl Pi besteht.
Egal ob William Wahl das Anbringen von Liebesschlössern an berühmten Brücken mit dem Befall von Blattläusen vergleicht, sich einen Shitstorm ganz allein für sich allein wünscht oder ob Jens Heinrich Claasen, der Pfundskerl XXL, seine Ballade von der Frau vom S-Bahnhof zum Besten gibt, irgendwie scheint es den ganzen Abend nur um die wechselseitige Bewältigung eines Traumas zu gehen, welches die Männer am Klavier wohl im Laufe ihres Musikerlebens mit erfolglosen Liebesliedern erlitten haben müssen. Das ist nicht nur äußerst lustig, das Programm lebt zudem auch von der Musikalität, der Spontaneität und der Unterschiedlichkeit der beiden Protagonisten. Denn obwohl sie beide dasselbe machen, sind sie doch recht unterschiedlich in der Art, wie sie es machen. Das ist auch der Grund, warum sie sich so hervorragend ergänzen.
Ihr erstes gemeinsames Programm haben Jens Heinrich Claassen und William Wahl wohl in erster Line aus bereits bestehenden Soloprojekten übernommen. Doch erst mit der gegenseitigen Moderation gelingt es, die Pointen nicht nur absolut zielsicher zu setzen, es fügt sich auch alles zu einem musikalisch-humoresken Ganzen zusammen und findet in den Duett-Nummern, von denen man sich noch mehr wünscht, viele Höhepunkte.
Mit den Zugaben sparten die beiden Künstler dann aber doch ein wenig. Sie wollten den Abend in der „Schranne“ mit einer gemeinsamen Nummer beschließen, doch von diesen gebe es noch nicht so viele. Gerne würden sie aber einmal wiederkommen. Na dann! mjv

OVB 11.04.2015